Gentherapien
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Eine neue Chance im therapeutischen Bereich für Seltene Erkrankungen

Rund vier Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer Seltenen Erkrankung. Allerdings verteilt sich diese hohe Zahl auf rund 8.000 verschiedene Krankheitsbilder, so dass jeweils nur vergleichsweise wenige Menschen betroffen sind. Zugelassene Therapien gibt es bisher für etwa 200 Seltene Erkrankungen, also nur einen sehr geringen Teil. Da etwa 80 Prozent der Seltenen Erkrankungen erblich bedingt sind, richtet sich die Hoffnung zunehmend auf innovative Behandlungsansätze, die fehlerhafte Erbinformationen reparieren oder durch gesunde Versionen ersetzen. Das würde eine ursächliche Behandlung der jeweiligen Erkrankung möglich machen. Gentherapeutische Ansätze sind vor allem bei Erkrankungen erfolgversprechend, die auf einem einzelnen Gendefekt beruhen.

Arten von Gentherapien

Es gibt eine Vielzahl von Ansätzen bei Gentherapien, aber letztendlich soll mittels dieser Verfahren das defekte Gen entweder repariert, ausgeschalten oder durch eine gesunde Kopie ersetzt werden, um die fehlende Funktion auszugleichen oder wiederherzustellen.1

Generell gibt es zwei unterschiedliche Arten von Gentherapien: Bei der in Deutschland verbotenen sogenannten Keimbahntherapie wird das Erbgut der Samen- oder Eizellen verändert. Das bedeutet, dass die behandelten Patienten die therapeutische Genveränderung an ihre Nachkommen weitervererben. Hierzulande kommen nur somatische Gentherapien zum Einsatz. Dabei werden nur reguläre Körperzellen behan­delt, ohne Auswirkung auf die Keimzellen. Die Zielzellen werden entweder direkt im Körper (in-vivo) behandelt oder zunächst entnommen, außerhalb des Körpers (ex-vivo) gentherapeutisch behandelt und dem Körper anschließend wieder zugeführt. Erste Gentherapien sind bereits zugelassen, zum Beispiel zur Behandlung von Blutkrebs, erblichen Netzhauterkrankungen oder neuromuskulären Erkrankungen. Weitere sind in der Entwicklung, auch im Bereich Seltener Erkrankungen, für die es bisher keine oder nur unzureichende Therapieoptionen gibt.​​​​​​​

Funktionsweise des Gentransfers

Bei der somatischen Gentherapie per Gentransfer wird künstlich eine gesunde Version des fehlerhaften Gens nachgebildet und in einen sogenannten Vektor verpackt. Das sind im Labor hergestellte Hüllen von Viren, die im Menschen keine Krankheiten auslösen. In den meisten Fällen kommen sogenannte Adeno-assoziierte Viren (AAV) als Vektoren zum Einsatz. Die auch als Kapsid bezeichnete Virushülle transportiert das gesunde Gen in die Körperzellen. Im Zellkern wird dieses neben der Chromosomen als zusätzliche genetische Information (Episom) abgelegt, also nicht in die Erbsubstanz eingebaut. 

Gentherapien für Bluter und Muskelkranke

Bei Menschen mit Hämophilie ist aufgrund eines Gendefekts die Blutgerinnung gestört. Ihre Leber kann bestimmte, für die Gerinnung erforderliche Eiweiße nicht in ausreichendem Maße herstellen, so dass sie mit der Gefahr lebensbedrohlicher Hirn- oder innerer Blutungen leben und schon bei leichten Verletzungen unter zum Beispiel schweren Gelenkblutungen leiden. Um die Gefahr zu verringern, müssen sich die Patienten den fehlenden Gerinnungsfaktor bisher lebenslang mehrmals pro Woche spritzen. Dennoch kann es immer wieder zu Blutungen kommen, da der Körper den gespritzten Gerinnungsfaktor stetig abbaut. Eine Gentherapie könnte den Betroffenen dagegen lang anhaltend helfen. Dafür erhalten die Patienten über eine Infusion viele Vektoren mit gesunden Kopien des defekten Gens. Diese docken an den Leberzellen an und schleusen dort das künstlich hergestellte Gen ein. Die so behandelten Zellen beginnen anschließend, den zuvor fehlenden Gerinnungsfaktor zu produzieren. Erste klinische Studien belegen diesen Effekt. Neben einer Gentherapie zur Behandlung der Bluterkrankheit Hämophilie B arbeitet das Unternehmen Pfizer an Wirkstoffen für weitere Seltene Erkrankungen. Weit fortgeschritten ist die Forschung auch bei der Muskeldystrophie Duchenne. Bei dieser Krankheit fehlt in den Muskelzellen aufgrund eines Gendefekts das Protein Dystrophin. Ohne dieses Protein bauen die Muskeln stetig ab, die Betroffenen verlieren ihre Gehfähigkeit und versterben früh durch Beeinträchtigung der Herz- und Atemmuskulatur. Durch Einschleusen eines künstlichen Dystrophin-Gens hoffen die Forscher, den Verlauf der Erkrankung künftig deutlich abmildern zu können.

Chancen und Herausforderungen von Gentherapien

So spannend und hoffnungsvoll diese neuen Therapien v. a. für Seltene Erkrankungen sind, stellt sich natürlich die Frage nach ihrem anhaltenden Nutzen. Allgemein kann man sagen: Es können, wie oben beschrieben, defekte Gene nun therapiert werden.2 Das Potenzial von Gentherapien ist natürlich abhängig vom Krankheitsbild und kann bei manchen Indikationen über das „Verlangsamen des Fortschreitens der Erkrankung“ hinausgehen. Bei bestimmten Erkrankungen wird mit einer einzigen Behandlung ein messbarer bzw. erwünschter Erfolg erreicht werden, bei anderen Krankheiten wird die Krankheitslast z.B. durch eine Verringerung der bisher üblichen häufigeren Medikamentengaben reduziert werden. Nicht zuletzt deshalb können mit Gentherapien die Lebensqualität von Menschen mit Seltenen Erkrankungen überhaupt oder messbar verbessert werden.2 Potenzielle Herausforderungen sind, dass genetische Erkrankungen dennoch weiter vererbt werden und einige Patienten während der Behandlung auch Antikörper gegen den Gentransporter (Vektoren) entwickeln können.2 Dies könnte relevant werden, wenn der Patient viele Jahre später, im theoretischen Fall eines Abflauens des gentherapeutischen Effekts, erneut mit einer Gentherapie behandelt werden möchte.

Auch in Zukunft wird die Erforschung von Seltenen Erkrankungen aufgrund von nur kleinen Patientenpopulationen für Studien erschwert oder ausgebremst werden. Denn die Mindestteilnehmerzahl für klinische Studien auf nationaler Ebene wird oft nicht erreicht, so dass internationale Forschungsnetzwerke aktiviert werden müssen.Seit über 30 Jahren setzt sich Pfizer für die Entwicklung und Erforschung innovativer Therapien für Patienten mit Seltenen Erkrankungen ein und stellt derzeit bereits 23 Medikamente für über 45 seltene Indikationen bereit.

Ausblick

Gentherapien können für einige PatientInnen einen Lichtblick bedeuten, gerade, wenn es um Krankheitsbilder geht, die bisher noch nicht therapiert werden konnten. Weitere Zulassungen bedeuten für Betroffene großes Potenzial auf eine bessere Lebensqualität.

Verband forschender Pharmaunternehmen (vfa). Positionspapier Somatische Gentherapie. https://www.vfa.de/embed/pos-somatische-gentherapie.pdf, zuletzt abgerufen am: 21.01.2021
https://www.pfizer.at/get-science/gentherapie-grosse-hoffnung-bei-seltenen-erkrankungen/, zuletzt abgerufen am 21.01.2021